Qualität und Anbaugebiete
Es ist gar nicht so einfach, etwas neues über Olivenöl zu schreiben. Zwar hat wohl jeder in seinem Leben als Gourmet, Koch oder Liebhaber der guten Küche schon einmal das “flüssige Gold” probiert und vielleicht auch eines der unzähligen Bücher zu diesem Thema gelesen. Und tatsächlich ist die Informationsflut zum Thema Olivenöl wirklich riesig. Es gibt eine scheinbar unüberschaubare Flut an Publikationen, Artikeln, Blogs und Forenbeiträgen zu diesem Thema – und genau dies macht die Sache nicht einfacher. Als Liebhaber der mediterranen Küche weiss man natürlich das eine oder andere zum Thema – aber ich würde nie behaupten, alles zu wissen. Natürlich nicht. Eine Recherche zu diesem wunderbaren Öl ist also auf jeden Fall angesagt.
Obwohl viel über Olivenöl geschrieben und gesagt wird, scheint es manchmal Lücken, Irrtümer und widersprüchliche Meinungen zu geben. Zum Beispiel wird viel über den Geschmack eines perfekten Olivenöls geschrieben. Ist das sinnvoll? Eher nicht! Denn mit einem guten Olivenöl verhält es sich wie mit einem guten Wein – es gibt viele Geschmäcker und Vorlieben, und den Wein mit dem besten Geschmack gibt es ebenso wenig wie das Olivenöl mit dem besten Geschmack. Was man aber sehr wohl beurteilen kann, ist die Zusammensetzung, die Qualität oder die geschmackliche Ausgewogenheit, der Charakter oder das Aroma dieses erstklassigen Naturproduktes.
Was macht ein gutes Olivenöl aus?
Eines vorweg: Die wunderschöne Farbe des Olivenöls, die zwischen einem zarten Goldgelb und einem dunkleren, satten Grün changiert, kann nicht als Qualitätskriterium herangezogen werden, denn die Farbe sagt nichts über den Geschmack, das Aroma, die Zusammensetzung oder die Konsistenz aus. Die Farbe eines Stoffes beeinflusst bis zu einem gewissen Grad unsere Erwartungen an den Geschmack. Das ist auch der Grund, warum Olivenöl in Testreihen in kleinen, blau gefärbten Gläschen serviert wird, um die geschmackliche und qualitative Beurteilung ohne Beeinflussung durch optische Aspekte vornehmen zu können.
Die Färbung eines Olivenöls hängt von verschiedenen Faktoren ab. Je nach Herkunftsland, Reifezustand der Oliven und Inhaltsstoffen variiert die Farbe von grün bis goldgelb. Der Grund dafür ist, dass grünes Olivenöl einen höheren Anteil an Chlorophyll enthält, während goldgelbes Olivenöl seine Farbe durch einen höheren Anteil an Karotin bzw. Beta-Karotin erhält. Der Geschmack wird durch diese Stoffe jedoch nicht beeinflusst. Die Farbe eines Olivenöls lässt jedoch Rückschlüsse auf seine Herkunft zu: So hat spanisches Olivenöl meist eine charakteristische goldgelbe Färbung, während italienisches Olivenöl eher dunkelgrün ist.
Mild oder bitter?
Viele Liebhaber der mediterranen Küche, vor allem wenn sie nicht aus den Mittelmeeranrainerstaaten kommen, sind begeistert, wenn ihnen ein sagenhaft mildes Olivenöl angeboten wird, welches so gar nicht bitter schmeckt. Gut, das ist Geschmackssache, aber ein wirklich gutes, gesundes, erstklassiges Olivenöl kann nicht so mild, weich und sanft daherkommen. Warum eigentlich?
Was den Geschmack angeht, gibt es natürlich sehr individuelle Vorlieben. Aber eines muss man ganz klar sagen: Betrachtet man die Qualität eines Olivenöls – also auch seine gesundheitlichen Aspekte – so muss man sagen, dass ein hochwertiges Olivenöl immer eine gewisse Schärfe / Bitterkeit aufweist. Der Grund dafür sind die im Olivenöl enthaltenen Polyphenole. Diese Bitter- und Scharfstoffe bestimmen den Geschmack. Die Wirksamkeit der enthaltenen Polyphenole gegen den LDL-Oxidationsprozess (und die damit verbundene Senkung kardiovaskulärer Risikofaktoren) ist nachgewiesen und macht Olivenöl zu einem wichtigen, hochwertigen Naturprodukt.
UND: Werden die Oliven nach der Ernte schnell verarbeitet, bleiben mehr Polyphenole erhalten als bei langsameren Verfahren. Kaltgepresste Öle haben ebenfalls einen höheren Polyphenolgehalt als Öle, die durch thermische oder chemische Verfahren extrahiert wurden.
Welche Faktoren beeinflussen die Qualität?
Ein Olivenöl wird als qualitativ potenziell hochwertig eingeschätzt, wenn es aus einer bestimmten Region stammt, die für ihre hochwertigen Oliven bekannt ist.
Ein qualitativ hochwertiges Olivenöl wird in der Regel aus früh gepflückten Oliven hergestellt, die einen höheren Anteil an natürlichen Antioxidantien enthalten. Oliven, die früh geerntet werden, haben einen höheren Anteil an natürlichen Antioxidantien und müssen schnell verarbeitet werden, um die Qualität des Öls zu erhalten.
Gutes Olivenöl wird in der Regel auf traditionelle Weise hergestellt, wobei die Oliven schnell nach der Ernte (max. 24 Stunden nach der Ernte) gepresst werden, um die Qualität des Öls zu erhalten. Die Verwendung einer modernen, hygienischen Ölmühle ist ebenfalls ein Qualitätsmerkmal – auch wenn altehrwürdige Ölmühlen sicher schönere Fotomotive abgeben.
Hochwertiges Olivenöl wird in der Regel durch kaltes Pressen gewonnen, anstatt durch den Einsatz von Chemikalien oder hohen Temperaturen.
Olivenöl, insbesondere die Top-Qualitäten, sollen natürlich frei von Verunreinigungen sein und in der Regel nicht mit anderen Ölen gemischt werden.
Ein hochwertiges Olivenöl hat einen kräftigen, bitteren und leicht fruchtigen Geschmack sowie ein für die verwendete Olivensorte typisches Aroma.
Um als “natives Olivenöl extra” deklariert zu werden, darf ein Olivenöl nach EU-Definition keine Fehlaromen aufweisen und muss diesbezüglich bei der Verkostung fehlerfrei sein. Aromen wie stichig, muffig-feucht oder essigartig-säuerlich sind negative Aromen, die natürlich unerwünscht sind und als Fehlaromen gelten.
Erstklassige Olivenöle müssen eine gewisse Fruchtigkeit aufweisen und dürfen eine Reihe von chemischen Grenzwerten nicht überschreiten, wie z.B. einen Gehalt an freien Fettsäuren von < 0,8%, eine Peroxidzahl von < 20 meq aktives O₂/kg, einen Fettsäureethylestergehalt von > 35 mg/kg oder einen Wachsgehalt von < 150 mg/kg.
Die Olivensorte selbst spielt zwar eine Rolle beim persönlichen Geschmack, es können aber aus verschiedenen Olivensorten ausgezeichnete Öle hergestellt werden – somit ist die Olivensorte noch nicht ausschlaggebend für ein gutes Öl.
Als Faustregel gilt: Je exakter die Herkunft zurückverfolgt werden kann, desto eher handelt es sich um ein hochwertiges Öl. Mischöle aus verschiedenen EU-Ländern sind in der Regel nicht hochwertig, es sei denn, es werden gezielt bestimmte Zusammensetzungen hochwertiger Öle gemischt.
Der Preis ist übrigens kein geeigneter Qualitätsindikator. Zwar sind hochwertige Olivenöle aufgrund ihrer aufwendigeren Herstellung natürlich auch teurer, aber es gibt auf dem Markt auch Olivenöle mittlerer Qualität zu hohen Preisen. Ein hochwertiges Olivenöl wird aus noch grünen, schonend geernteten Oliven gewonnen. Diese haben einen geringeren Ölgehalt als schwarze oder vollreife Oliven. Zudem erlaubt eine hohe oder höchste Qualitätsstufe nur bestimmte, schonende Herstellungsverfahren. Faktoren, die für höhere Preise verantwortlich sind.
Olivenöl wird in 8 Kategorien eingeteilt:
In unserer Artikelserie über Olivenöl auf vieni.ch konzentrieren wir uns ausschliesslich auf die Kategorien „Extra nativ“ und „nativ“. In beiden Kategorien werden nur Öle aufgenommen, die durch mechanische Pressverfahren hergestellt werden. Das heisst, sie dürfen nicht mit Hilfe chemischer Verfahren hergestellt worden sein. Die Öle der Kategorien 3 – 8 sind solche Öle und in der Regel von minderer Qualität.
Olivenanbaugebiete
Olivensorte und Herkunft des Olivenöls spielen eine wichtige Rolle für Geschmack und Qualität. Die Bodenbeschaffenheit, die klimatischen Bedingungen und die Anbaukultur bestimmen den Geschmack der Oliven und natürlich in unterschiedlichem Masse auch den des Olivenöls.
Olivenbäume benötigen gut durchlässige, kalkhaltige und nährstoffreiche Erde. Sie bevorzugen leichte, sandige oder lehmige Böden und sind genügsam, was die Bodenfeuchtigkeit betrifft. Olivenbäume lieben sommerliche Temperaturen und viel Sonnenlicht – deshalb gedeihen sie am besten in mediterranen Klimazonen mit milden Wintern und heissen, trockenen Sommern.
Für den Geschmack eines Olivenöls ist die Anbauregion von noch grösserer Bedeutung als für die objektiven Qualitätskriterien. Ähnlich wie beim Wein prägen Region und Olivensorte den Geschmack.
Spanien, Italien und Griechenland sind Weltmarktführer
Ein Grossteil der Oliven bzw. der Olivenölproduktion konzentriert sich im Mittelmeerraum. Perfekte Böden und ein warmes, mildes Klima bieten ideale Bedingungen. In den Jahren 2017 bis 2018 kamen knapp 40 % des Olivenöls aus Spanien, 13 % aus Italien und rund 10 % aus Griechenland. In den Anbaugebieten dieser Länder sieht man Oliven & Olivenöl nicht nur unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten, sondern es besteht oft eine emotionale Bindung, denn das Öl ist Teil der Kultur – beim Kochen, Braten oder Einlegen.
Italienische Oliven & Olivenöle
Die Bergregion um Caltanisetta in Italien ist ein solches typisches Anbaugebiet. Weitere Anbaugebiete in Italien sind zum Beispiel Monte Iblei, die Gebiete an den Hängen des Ätna, Valdemone, Valle del Belice, Valle dei Templi mit den Hauptsorten Biancolilla und Cerasuola sowie die Region Val di Mazara. Bekannte Sorten sind Frantoio, Leccino, Coratina oder Nocellara.
Spanische Oliven & Olivenöle
In Spanien befinden sich rund 80 % aller Olivenhaine in der Region Andalusien. Bekannte Sorten sind z.B. Hojiblanca, Arbequina, Picual oder Cornicabra. Wobei etwa 50 % des Olivenöls aus der Sorte Picual gewonnen wird. Aus der Picual-Olive wird ein grünliches Öl mit vollmundigem, bitterem Geschmack und hohem Polyphenolgehalt gewonnen. Die häufig angebaute, milde, leicht süssliche Arbequina-Olive wird dagegen primär als Tafelolive verwendet.
Griechische Oliven & Olivenöl
Griechenland hat seine grössten Anbaugebiete in den Regionen des Peloponnes, auf Lesbos oder Kreta – hier ist die Sorte Koroneiki mit ihrem frisch-herben, leicht an Zitrusfrüchte erinnernden Geschmack die bekannteste, aber auch die Sorten Athinolia, Konservolia, Makri und Kalamate sind natürlich von Bedeutung.
Weitere Anbaugebiete sind Frankreich, die Türkei, Israel, Marokko, Tunesien, Algerien oder auch einige südamerikanische Länder wie Argentinien, Chile und in geringerem Umfang Peru. Nun, wollte man alle Gebiete und Sorten beschreiben, so würde dies sicherlich ein ganzes Buch füllen.